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Teilgenommen haben: Edith – Kontaktperson OP Nils - Bioingenieur; Ausbilder Im Globolab-Einsatz November 2011 galt es zwei Hauptaufgaben zu verfolgen: Zum Einen musste das "Agarproblem" gelöst werden (Seit Februar 2011 funktionierte unser Hauptanzucht-Nährmedium nicht mehr), zum Anderen sollte die Aus- und Weiterbildung der einheimischen Laborkräfte vorangetrieben werden. Sofort nach Ankunft im Labor in Lunsar machten wir uns an die Arbeit, den Fehler des Agars aufzuspüren. Gott sei Dank hatten wir von Doris zwanzig Blutagarplatten dabei, die als Kontrollmedium durch alle Tests mitliefen. Das Problem stellte sich als ziemlich verzwickt dar, da es letztendlich zwei unterschiedliche Fehler waren, die – jeder für sich – das Wachstum auf unserem Agar inhibierten. Es stellte sich heraus, dass zum Einen weder das Trinkwasser, noch das selbst hergestellte destillierte Wasser verwendbar ist (unsere Annahme: das Trinkwasser ist gechlort und das destillierte Wasser aus der Klimaanlage enthält Spuren von Kupfer aus den Rohren), aber auch eine Packung Agarpulver war – aus welchen Gründen auch immer – unbrauchbar. Wir haben dieses Pulver natürlich zumindest kurz untersucht; es war weder verklebt noch roch es auffällig und fünf trockene Proben aus dem gleichen Behälter zeigten keine Spuren von Pilzen, wobei man einschränkend erklären muss, dass soetwas auch übersehen werden kann. Im Endeffekt war es nicht nachweisbar, warum diese Packung Agar untauglich geworden war. Sie wurde verworfen, da wir zur Genüge andere taugliche Packungen des gleichen Agars vorrätig haben. Die ganzen Tests, dieser QM-Maßnahme führten wir jeweils Abends nach Arbeits- und damit Ausbildungsschluss der farbigen Kollegen durch. Die drei im Februar 2011 geschulten Labormitarbeiter wurden aus verschiedenen Gründen (1 x Krankheit, 1 x Baby etc.) nicht weiter geschult. Es erschien uns wesentlich sinnvoller, Fatty und Martin - diese beiden wurden bereits November 2011 geschult und sie haben das vergangene Jahr sehr erfolgreich genutzt ihre Erfahrungen in Sachen mikrobiologischer Arbeit auszubauen - weiter auszubilden. Fatty und Martin können die wichtigsten diagnostischen Maßnahmen mittlerweile auch allein – sprich: ohne Doris und/oder mich – durchführen, so dass die Mikrobiologie in unserem Labor ab jetzt zur Verfügung steht. Anfänglich trübte etwas das Bild. Das Labor war einsatzbereit, jedoch schickten die einheimischen Ärzte keine Patienten, respektive Proben, obwohl Infektionen zur Genüge vorlagen. Die Ursachen hierfür konnten wir nur erahnen; vielleicht lag es daran, dass bestimmte eingefahrene Arbeitsabläufe einfach schwer zu modifizieren sind (das ist in Deutschland ja auch nicht anders) und vielleicht auch an der Unwissenheit bezüglich der mikrobiologischen Möglichkeiten. Bei Erkennen dieses Problems haben wir zwei Meetings mit Ärzten und Klinikleitung gehalten, woraufhin die Klinikleitung Anweisungen ausgab den Arbeitsablauf bei der Diagnose und der Behandlung von bakteriellen Infektionen umzustellen. Helfend kam hinzu, dass mit unseren mikrobiologischen Tests einem einheimischen Arzt selbst geholfen werden konnte (chronische Halsentzündung) sowie auch seiner Schwester (Wundinfektion auf beiden Füßen). Dieses Jahr haben wir ca. 15 Antibiogramme erstellt, wobei bei zwei "multiresistenten Patienten" keines der vorhandenen Antibiotika mehr anschlug. Bei 13 Patienten konnten wir also Empfehlungen aussprechen – leider fehlte die Zeit, den Krankheitsverlauf aller 13 Patienten zu verfolgen; vier jedoch wurden verfolgt: Fall 1: Demor, weiblich, 20 Jahre, schwer infizierte Kaiserschnittwunde. Das Antibiogramm wies fünf unwirksame Antibiotika auf, aber zeigte Levofloxacin als wirksam. Empfehlung aus dem Labor: Umstellung der Antibiose auf Levofloxacin. Nach drei Tagen war die Wunde eiterfrei und trocken. Demor vor der Antibioseumstellung: ...und nach Zweitnaht und Umstellung der Medikation:   Fall 2: Dr. Bah, männlich, 36 Jahre, chronische Halsentzündung seit über zwei Jahren. Das Antibiogramm zeigte – und das ist sehr selten in Sierra Leone – vier wirksame Antibiotika. Empfehlung aus dem Labor: Behandlung mit Ceftriaxon. Nach zwei Tagen kam Dr. Bah zu uns ins Labor und meinte, er würde zum ersten Mal nach über zwei Jahren morgens keinen Eiter mehr hochhusten. Fall 3: Jennabu, weiblich, 20 Jahre, seit 6 bis 7 Jahren schwere Wundinfektion an beiden Füßen mit offenen stark eiternden Wunden. Das Antibiogramm zeigte vier unwirksame Antibiotika, ein "intermediate"-wirksames und eine Sensitivität auf Gentamycin. Empfehlung aus dem Labor: Drei Tage Hyperdosen Gentamycin, danach normale Dosis. Nach vier Tagen waren die Wunden geschlossen und beide Füße waren trocken. Auch hiervon werden Fotos auf unsere Homepage gestellt. vor vier Tagen waren Jennabus Füße offen, feucht und voller Eiter:   Fall 4: Mary, weiblich, ca. Mitte 20, schwere Infektion an Wunden und Blase. Das Antibiogramm zeigte nur "Ciprofloxacin" als wirksames Antibiotikum. Empfehlung aus dem Labor: Gabe von Ciprofloxacin bei gleichzeitiger Beobachtung, da Ciprofloxacin oftmals schnell Resistenzen ausbildet. Genau dies ist dann auch geschehen, so dass wir auf ein anderes Antibiotikum der gleichen Familie auswichen. Am Tag der Umstellung der Antibiose waren sich alle Ärzte – auch die weißen – sehr sicher, dass Mary die kommende Nacht nicht überlebt. Die Behandlung schlug an und Mary konnte sich nach zwei Tagen sogar schon wieder aufrichten und meinte, sie hätte Hunger. Diese vier positiven Fälle dürfen nicht missverstanden werden – einen 100% Erfolg wird es nicht geben, es war wohl eher Zufall, dass gerade alle diese vier verfolgten Verläufe so gut ausgingen. Es kann mit Erfolgschancen von maximal 60 bis 70% gerechnet werden kann – nicht höher. Erfreuliches neben der Mikrobiologie: Die Klinikleitung war völlig aus dem Häuschen, als wir das Photometer und die extrem günstigen Testlösungen mitbrachten. Auch sehr erfreut war man über Reagenzien für den Nachweis von Sichelzell-Patienten und für die Herstellung von Antikoagulantien (diese verhindern die Gerinnung von Blut in Teströhrchen). Durch eine Verdünnungsreihe konnte GLOBOLAB die Qualität der Gramfärbungen (Anfärbung von Bakterien) deutlich verbessern. Es stellte sich heraus, dass die gekaufte und eigentlich gebrauchsfertige Safraninlösung 2:1 (!) verdünnt werden muss, um wirklich eindeutige Ergebnisse zu erzielen. Das absolute Highlight jedoch waren die mitgebrachten vom TSV Aßling gespendeten Fußballtrikots ! Es kam zu einem Freundschaftsspiel zwischen den Klinikjungs und den Laborjungs (im Alter von ca. 13 bis 15 Jahren) und das halbe Klinikpersonal sah zu. Ganz großes Kino! Wir hätten kein schöneres Geschenk mitbringen können. Erwünschte Nebenwirkungen: Die Anwesenheit von Globolab hatte auch noch andere, nicht-mikrobiologische Vorteile. * Es wurden Mikroskope und andere medizinische Gerätschaften gewartet; * es wurde ein Auto repariert und * ein alter defekter Sterilisator (Autoklav) wurde auf abenteuerlichste Weise (Dichtung aus Zahnfüllmasse) wieder funktionstüchtig gemacht – dies war besonders wichtig, weil alle (!) Autoklaven im OP-Bereich defekt waren, so dass mehrere Wochen unsteril operiert wurde – ein Zustand, der generell natürlich unhaltbar ist, aber bei orthopädischen Eingriffen doppelt schwer wiegt. Resumé: Ich glaube, man kann objektiv behaupten, dass dieser Einsatz sehr erfolgreich verlief. Das Agarproblem wurde gelöst und wir haben zwei einheimische Labormitarbeiter, die in der Lage sind, die wichtigsten mikrobiologischen Tests einigermaßen sicher durchzuführen. Zum ersten Mal fuhren wir nicht mit einem schlechten Gefühl nach Hause, dass wir in Lunsar eine offene Baustelle hinterlassen. Unerwünschte Nebenwirkung eines Sierra Leone Aufenthalts: “Hakenwürmer” (Ancylostomatidae) fressen Gänge unter der Haut.